Abschied und Neubeginn

Ein sicht­lich gerühr­ter Bernd Riex­in­ger verließ am Frei­tag­nach­mit­tag die Bühne. Gerade hatte er seine letzte Rede als Partei­vor­sit­zen­der gehal­ten. Die anwe­sen­den Genoss:innen verab­schie­de­ten ihn mit Stan­ding Ovations. Seine letzte Rede stand unter dem Motto: „Für die Soli­da­ri­tät der Vielen — gegen die Herr­schaft der Weni­gen“. Darin spielte auch jener Name eine Rolle, der Synonym für den Para­dig­men­wech­sel in der deut­schen Sozi­al­po­li­tik gewor­den ist. „Peter Hartz hat damals dem größ­ten Anschlag auf den Sozi­al­staat den Namen gege­ben“, so Riex­in­ger. Die Agenda 2010, und mit ihr die Hartz-Refor­men, mach­ten aus dem Gewerk­schaf­ter Bernd Riex­in­ger den Poli­ti­ker und Partei­chef Riex­in­ger. Erst WASG, dann LINKE. Schließ­lich wurde der gebür­tige Schwabe auf dem turbu­len­ten Göttin­ge­ner Partei­tag zum Ko-Vorsit­zen­den gewählt. Fast neun Jahre stand er an der Spitze. Zeit also, Bilanz zu ziehen: „Die Mehr­heit unse­rer Mitglie­der heute ist in den vergan­gen 9 Jahren einge­tre­ten. Wir sind im Westen die jüngste Partei. Wir über­ge­ben eine Partei, die für kommen­den Ausein­an­der­set­zun­gen gut aufge­stellt ist.“

DIE LINKE ist jünger geworden

Tatsäch­lich ist DIE LINKE jünger gewor­den, weib­li­cher und west­deut­scher. Im Osten aber schrumpft sie. Vieler­orts aber ist sie kampa­gnen­fä­hig. Sie hat die aktivs­ten Mitglie­der unter allen großen Parteien. Und so kann Riex­in­ger auf die rund 500 Organizer*innen verwei­sen, die ausge­bil­det wurden, um in 40 Orten Nach­bar­schafts- und Mieter*inneninitiativen aufzubauen.

Eine Partei in Bewe­gung will DIE LINKE sein und sie ist es mitt­ler­weile auch. Für dieses Konzept steht wohl keine so sehr wie Katja Kipping. Auch die gebür­tige Dresd­ne­rin nahm an diesem Wochen­ende Abschied. In ihrer Rede spann sie den großen Bogen: vom Göttin­ger Partei­tag, der Doppel­be­las­tung als Vorsit­zende und Mutter hin zur aktu­el­len Corona-Krise, die ein wenig auch eine Krise der LINKEN ist: „Kurz vor der Pande­mie stan­den wir bei 10 Prozent. Jetzt stehen wir eher bei 7 oder 8. Das ist defi­ni­tiv zu wenig. Ich meine, das liegt auch daran, dass man in diesen Zeiten noch selte­ner als sonst gehört wird, wenn man nicht regiert.“ Kipping warb für ein Mitte-Links-Bünd­nis auf Bundes­ebene: „Eine Partei, die für sich die Regie­rungs­frage geklärt hat, hat objek­tiv andere Möglich­kei­ten als eine Partei, die in dieser Frage – und sei es aus guten Grün­den – noch unent­schie­den ist.“

Zudem warb sie für eine weib­li­che Doppel­spitze. „Bei der Grün­dung der LINKEN gab es zwei männ­li­che Doppel­spit­zen — in Partei und Frak­tion. Morgen könn­ten wir erst­mals eine weib­li­che Doppel­spitze haben.“

Große Mehr­heit für die neuen Vorsitzenden

Tatsäch­lich wurden die beiden Kandi­da­tin­nen Janine Wiss­ler und Susanne Hennig-Well­sow am Sams­tag mit großer Mehr­heit gewählt. Janine Wiss­ler, die ohne Gegenkandidat*in antrat, erreichte 84 Prozent. Susanne Hennig-Well­sow, die mehr als hundert Stim­men den Kandi­da­ten Reimar Pflanz verlor, kam auf 70 Prozent. Beide Kandi­da­tin­nen hatten sich mit kämp­fe­ri­schen Reden um den Partei­vor­sitz bewor­ben. Janine Wiss­ler machte klar: “Aner­ken­nung und Würde werden nicht geschenkt, sie werden erkämpft, wenn Menschen sich gegen Zumu­tun­gen wehren.“ Um den Klima­wan­del zu stop­pen, so Wiss­ler, müsse man bereit sein, „sich mit Konzer­nen anzu­le­gen. Die Bundes­re­gie­rung fühlt sich aber leider den Abkom­men für die Aufrüs­tung der NATO mehr verpflich­tet als inter­na­tio­na­len Klima­schutz­ab­kom­men.“ Die Frak­ti­ons­vor­sit­zende der LINKEN im hessi­schen Land­tag beschwor die Dele­gier­ten: „Lasst uns gemein­sam den Pol der Hoff­nung von links stär­ken. Wir können diese Gesell­schaft verändern.“

Susanne Hennig-Well­sow verwies auf ihre ostdeut­sche Herkunft und ihre Prägung durch die PDS. “Die PDS war da. Sie hat gekämpft. Deswe­gen bin ich in die PDS einge­tre­ten. Weil sie die Fehler im System deut­lich gemacht hat. Und ich bin stolz auf unsere Partei heute. Dieses Land braucht unsere Partei mehr als je zuvor.“

Die Thürin­ge­rin gilt als ausge­spro­chene Befür­wor­te­rin von Rot-Rot-Grün auf Bundes­ebene. Schließ­lich regiert auch DIE LINKE in Thürin­gen zusam­men mit SPD und Grünen. In ihrer Bewer­bungs­rede machte sie sich für das Bünd­nis stark: “Ich trete an, weil ich etwas verän­dern will, weil ich nicht mehr warten will, und weil die Menschen nicht mehr warten können. CDU und CSU müssen raus aus der Bundes­re­gie­rung. Es braucht einen Aufbruch und Neuan­fang! Wir sind bereit.”

Quelle: Abschied und Neube­ginn (links-bewegt.de)

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