Seit 2017 kämpft die Gieße­ner Ärztin Kris­tina Hänel für Ihr sach­li­ches Infor­ma­ti­ons­recht zu Schwan­ger­schafts­ab­brü­chen. Der Holo­caust-Rela­ti­vie­rer und Selbst­be­stim­mungs­geg­ner Klaus Annen hatte sie wieder­holt ange­zeigt, um den Zugang von Schwan­ge­ren zu solchen Infor­ma­tio­nen zu erschwe­ren. Seit der ersten Verur­tei­lung im Jahr 2017 wegen angeb­li­cher Werbung für Schwan­ger­schafts­ab­brü­che nach § 219a StGB ist sie deutsch­land­weit als Vorkämp­fe­rin für das sexu­elle und körper­li­che Selbst­be­stim­mungs­recht von Schwan­ge­ren bekannt. Über ihr Enga­ge­ment berich­tet sie in dem Buch “Das Poli­ti­sche ist persön­lich”. Sie erhielt u.a. 2018 den Clara-Zetkin-Preis der Partei DIE LINKE sowie 2019 das Marbur­ger Leucht­feuer.

Am 19.01.2021 hat das Ober­lan­des­ge­richt Frank­furt die Revi­sion gegen ihr Urteil abge­wie­sen. Das ermög­licht den gewünsch­ten Schritt zur Verfas­sungs­be­schwerde, bedeu­tet aber auch, dass Kris­tina Hänel und andere Ärzt*innen ihre Infor­ma­tio­nen zu Schwan­ger­schafts­ab­brü­chen nicht mehr auf ihrer Home­page publi­zie­ren dürfen.

Weil Ärzt*innen diese wich­ti­gen Infor­ma­tio­nen aufgrund infor­ma­ti­ons­feind­li­cher Rege­lun­gen in § 219a StGB nicht mehr selbst bereit­stel­len dürfen, haben sich die Kreis­ver­bände DIE LINKE. Hessen und Marburg-Bieden­kopf in einer soli­da­ri­schen Geste dazu entschlos­sen, wich­tige Infor­ma­tio­nen zum Ablauf lega­ler Schwan­ger­schafts­ab­brü­che in Deutsch­land für alle Inter­es­sier­ten zugäng­lich zu machen. Wir danken für die Initia­tive, stel­len die Infor­ma­tio­nen auch hier bereit und freuen uns, wenn diese noch weiter geteilt werden.

Gesetz­li­che Voraus­set­zun­gen für einen lega­len Schwangerschaftsabbruch

Für einen lega­len Schwan­ger­schafts­ab­bruch in Deutsch­land benö­ti­gen Sie entweder

  • eine schrift­li­che Beschei­ni­gung über eine Bera­tung bei einer nach § 219 StGB bzw. § 7 SchKG aner­kann­ten Bera­tungs­stelle oder
  • eine schrift­li­che ärzt­li­che Beschei­ni­gung über das Vorlie­gen einer medi­zi­ni­schen oder krimi­no­lo­gi­schen Indi­ka­tion nach § 218 StGB
Durch­füh­rung eines Schwangerschaftabbruchs

Es gibt drei Metho­den des Schwan­ger­schaft­ab­bruchs: medi­ka­men­tös, chir­ur­gisch mit örtli­cher Betäu­bung sowie chir­ur­gisch mit Voll­nar­kose. In der Regel über­neh­men gesetz­li­che Kran­ken­kas­sen die Kosten der Behand­lung nur, wenn sie aus medi­zi­ni­scher Sicht ange­zeigt ist.

Der Verlauf ist in der Regel folgen­der­ma­ßen: Sie tref­fen in einer behan­deln­den Arzt­pra­xis ein, Ihre Unter­la­gen werden auf Voll­stän­dig­keit über­prüft. Danach findet ein Aufnah­me­ge­spräch mit der Arzt­hel­fe­rin oder Kran­ken­schwes­ter statt. Diese Kolle­gin bleibt dann in der Regel die Bezugs­per­son während des gesam­ten weite­ren Aufent­hal­tes. Im Anschluss findet das Gespräch mit der Ärztin statt. Vor dem Schwan­ger­schafts­ab­bruch führt die Ärztin eine Tast­un­ter­su­chung zur Bestim­mung der Lage und Größe der Gebär­mut­ter durch. Ebenso wird eine Ultra­schall­un­ter­su­chung gemacht, um das Schwan­ger­schafts­al­ter zu bestimmen.

Der weitere Verlauf unter­schei­det sich beim medi­ka­men­tö­sen und chir­ur­gi­schen Abbruch. 

Medi­ka­men­tö­ser Schwangerschaftsabbruch 

Ein medi­ka­men­tö­ser Abbruch ist in Deutsch­land nur bis zum 63. Tag nach der letz­ten Regel möglich (entspricht dem 49. Tag nach der Empfäng­nis). Das benutzte Medi­ka­ment ist ein künst­li­ches Hormon (Mife­pris­ton), das die Wirkung des Hormons Proges­te­ron blockiert. Proges­te­ron ist entschei­dend an der Entwick­lung und Erhal­tung der Schwan­ger­schaft betei­ligt. Für die medi­ka­men­töse Methode sind in der Regel zwei Termine in einer Praxis erforderlich.

Beim ersten Besuch erfolgt die Unter­su­chung mit Ultra­schall. Sollte die Frucht­blase noch nicht im Ultra­schall zu sehen sein, ist eine Bestim­mung des Schwan­ger­schafts­hor­mons ‑HCG im Blut erforderlich.

Anschlie­ßend werden drei Tablet­ten des Medi­ka­men­tes unter ärzt­li­cher Aufsicht einge­nom­men. Oft kommt es bereits am folgen­den Tag zur Blutung. In drei Prozent der Fälle wird das Schwan­ger­schafts­ge­webe ohne weitere Behand­lung in den nächs­ten beiden Tagen ausge­sto­ßen. Auch in diesem Fall ist ein zwei­ter Besuch zur Kontrolle erfor­der­lich. Viele Patient*innen spüren jedoch keine körper­li­che Verän­de­rung. Beim zwei­ten Besuch in der Praxis muss mit drei bis vier Stun­den Aufent­halt gerech­net werden. Patient*innen bekom­men mehrere Tablet­ten des Medi­ka­ments Prosta­glan­din, das die Aussto­ßung des Schwan­ger­schafts­ge­we­bes fördert. Bei vielen Patient*innen kommt es zu Kontrak­tio­nen der Gebär­mut­ter und Blutun­gen setzen ein. Sollte es nach zwei bis drei Stun­den nicht zu einer Blutung gekom­men sein, wird die Gabe des Medi­ka­ments wieder­holt und eine Stunde später kann die Praxis in aller Regel verlas­sen werden.

Bei vielen Patient*innen kommt es während des Aufent­hal­tes in der Praxis zum Aussto­ßen der Frucht­blase, aber bei jeder vier­ten Frau* setzen die Blutun­gen sogar erst nach 24 Stun­den ein. Sollte also nicht inner­halb der drei bis vier Stun­den die Frucht­blase ausge­sto­ßen sein, so ist das kein Grund zur Beunruhigung.

Neben­wir­kun­gen und Komplikationen

Mögli­che Neben­wir­kun­gen sind Unter­leibs­schmer­zen, Übel­keit und Erbre­chen. Die Blutun­gen können stär­ker sein als beim chir­ur­gi­schen Abbruch oder bei Ihrer Peri­ode und länger anhal­ten. In ca. 1–4 % versagt die Methode. Bei einer weiter bestehen­den Schwan­ger­schaft ist eine chir­ur­gi­sche Been­di­gung des Abbruchs notwendig.

Gründe gegen die medi­ka­men­töse Methode
  • Konkre­ter Verdacht auf eine Schwan­ger­schaft außer­halb der Gebär­mut­ter (z.B. im Eileiter)
  • Unver­träg­lich­keit von Prostaglandinen
  • Aller­gie gegen­über Mifepriston
  • Chro­ni­sche Nebenniereninsuffizienz
  • Schwe­res Asthma (Einnahme von Cortisontabletten.)
  • Leber- und Nierenversagen

Eine evtl. liegende Spirale muss entfernt werden.

Chir­ur­gi­scher Schwangerschaftsabbruch

In der Regel erhal­ten Patient*innen ca. eine Stunde vor Beginn des Eingriffs Medi­ka­mente, die die Gebär­mut­ter vorbe­rei­ten (Priming). Dadurch wird das Risiko, die Gebär­mut­ter beim Eingriff zu verlet­zen, verrin­gert. Der chir­ur­gi­sche Schwan­ger­schafts­ab­bruch kann entwe­der unter loka­ler Betäu­bung oder mit Voll­nar­kose durch­ge­führt werden. Bei einer örtli­chen Betäu­bung wird das Betäu­bungs­mit­tel in den Mutter­mund gege­ben. Dies wird von vielen Patient:innen gar nicht bemerkt, obwohl die Angst davor oft groß ist. Die Nerven am Mutter­mund reagie­ren zwar auf Druck sehr empfind­lich, aber nicht auf Berührung.

Die Voll­nar­kose wird durch eine Narko­se­ärz­tin durch­ge­führt. Die Narko­se­mit­tel werden über eine in die Armvene gelegte Nadel gege­ben. Kurz darauf wird die Patient*in müde und schläft ein, sodass sie sich später nicht mehr an den Eingriff erin­nern kann. Oft erin­nern sich die Patient*innen nicht einmal, dass Sie nach ca. 15 Minu­ten, wenn der Eingriff been­det ist, selb­stän­dig in den Ruhe­raum gelau­fen sind.

Zur Vorbe­rei­tung des Absau­gens wird der Mutter­mund mit Dehnungs­stä­ben geöff­net. Mit einem Plas­tik­röhr­chen wird anschlie­ßend das Schwan­ger­schafts­ge­webe abge­saugt. Dabei wird auch die obere Schleim­haut­schicht mit entfernt, die norma­ler­weise bei der Peri­ode abblutet. Das Absau­gen dauert nur wenige Minu­ten. Am Ende zieht sich die Gebär­mut­ter zusam­men, um die Blutung zu stop­pen, was in etwa dem Gefühl bei der Mens­trua­tion oder den Nach­we­hen nach einer Geburt entspricht. Es folgt eine Kontrolle, ob die Gebär­mut­ter voll­stän­dig entleert ist. Auch das abge­saugte Gewebe wird kontrolliert.

Kompli­ka­tio­nen
  • Entzün­dun­gen der Unterleibsorgane
  • Gewe­be­reste, die zu verstärk­ten Blutun­gen oder auch zu Entzün­dun­gen führen können. In selte­nen Fällen muss ein weite­rer Eingriff erfolgen
  • Aller­gi­sche Reak­tio­nen auf Medikamente
  • Verlet­zun­gen der Gebär­mut­ter oder des Gebär­mut­ter­hal­ses sowie angren­zen­der Gewebe

Bei erns­ten Kompli­ka­tio­nen kann eine Verle­gung ins Kran­ken­haus erfor­der­lich sein.

Begleit­per­so­nen

Oft ist es hilf­reich, eine Begleit­per­son zum Abbruch mitzu­brin­gen, z.B. Partner*innen oder andere Begleit­per­so­nen wie Freund*innen und Verwandte. Sollte ein Schwan­ger­schafts­ab­bruch in örtli­cher Betäu­bung gemacht werden, ist es auch möglich, sich beim Abbruch in den Behand­lungs­raum beglei­ten zu lassen. Ansons­ten kann die Begleit­per­son in der Regel im Ruhe­raum bei Ihnen sein.

Nach dem Abbruch

Bis zu 24 Stun­den nach dem Eingriff soll­ten Patient*innen nicht selbst Auto fahren. Eine Nach­un­ter­su­chung bei Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt ist ca. 14 Tage nach dem Abbruch erfor­der­lich. (Beim Medi­ka­men­tö­sen Abbruch zwischen dem 10. und 14. Tag nach Mifegyne-Einnahme). Nur dann kann gewähr­leis­tet werden, dass der Abbruch voll­stän­dig war und keine gesund­heit­li­chen Nach­teile entstehen.

Verhü­tung

Der erste Eisprung nach dem Abbruch findet nach ca. zwei bis vier Wochen statt. Dementspre­chend setzt die nächste Regel­blu­tung nach vier bis sechs Wochen ein. Da Patient*innen direkt nach dem Abbruch wieder empfäng­nis­be­reit sind, sollte die Frage der anschlie­ßen­den Verhü­tung geklärt sein. Bitte bespre­chen Sie dieses Thema mit Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt.

Zur Unter­stüt­zung der Gebär­mut­ter­rück­bil­dung ist es möglich, direkt mit der Pille zu begin­nen. Dies wird aus medi­zi­ni­schen Grün­den für den medi­ka­men­tö­sen Abbruch empfohlen.

Essen und Trin­ken, Medikamente

2 Tage vor dem Eingriff dürfen kein Aspi­rin oder sons­tige Mittel mit Acetyl­sa­li­cyl­säure einge­nom­men werden. Soll­ten Sie andere Blut­ver­dün­nende Medi­ka­mente nehmen oder eine Blut­ge­rin­nungs­stö­rung haben, soll­ten Sie mit Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt vorab das weitere Vorge­hen besprechen.

Beim chir­ur­gi­schen Abbruch mit örtli­cher Betäu­bung ist es sinn­voll, eine leichte Mahl­zeit zu sich zu nehmen, aber nicht später als zwei Stun­den vorher. Beim chir­ur­gi­schen Abbruch mit Voll­nar­kose dürfen Sie 6 Stun­den vorher auf keinen Fall essen, trin­ken oder rauchen. (Niko­tin regt die Magen­säure an und im Notfall könnte säure­hal­tige Flüs­sig­keit in die Lunge gelan­gen!) Bis 1 Stunde vor dem Termin können Sie klare Flüs­sig­keit (ohne Milch und Zucker) zu sich nehmen.

Was muss zum Termin mitge­bracht werden?
  • Bera­tungs­be­schei­ni­gung über die nach § 219 StGB durch­ge­führte Bera­tung oder Indi­ka­tion nach § 218 StGB
  • Blut­grup­pen­nach­weis
  • Versi­cher­ten­karte
  • Kosten­über­nah­me­be­schei­ni­gung oder Bargeld
  • Über­wei­sungs­schein der Frauenärztin/des Frauenarztes

Es sollte bequeme Klei­dung getra­gen werden sowie Damen­bin­den, Socken und ein Badehandtuch.

Die Infor­ma­tio­nen zum Download

auf Englisch [PDF]
auf Türkisch [PDF]
auf Deutsch [PDF]

DIE LINKE. BAG LISA

Die BAG LISA ist eine auto­nome Frau­en­struk­tur, in der Frauen die Möglich­keit haben, ihre Poli­tik­an­sätze zu entwi­ckeln, zu disku­tie­ren und zu beschlie­ßen. In LISA enga­gie­ren wir uns für eine eman­zi­pa­to­ri­sche Gesell­schaft, in der jede*r glei­che Möglich­kei­ten für selbst­be­stimmte Lebens­ent­würfe hat.

Kontakt:
DIE LINKE. BAG LISA
Kleine Alex­an­der­straße 28
10178 Berlin
kontakt@lisa-frauen.de